11. Jahrhundert – “Gang nach Canossa” – warum sagt man das? #jahr100 | MrWissen2go | Terra X
Die Gesellschaft im 11. Jahrhundert ist sehr religiös, die Macht der katholischen Kirche ist immer weiter gewachsen. Der König gilt bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts als Verwalter Christi und Diener Gottes. Die Bischöfe sind ihm unterstellt. Darum setzt er sie auch ins Amt einsetzen kann, was man als “Investitur” bezeichnet. Dass aber ein „Laie“ einen Bischof ernennt, hinterfragen ab Mitte des Jahrhunderts immer mehr Geistliche. Die Forderung, dass die Kirche unabhängig von weltlichen Autoritäten sein und Geistliche mehr nach den Bestimmungen der römischen Kurie leben sollten, wird immer lauter.
Im Jahr 1073 wird der Geistliche Hildebrand von Soana zu Papst Gregor VII. Er wird zu einem Papst, der als einer der umstrittensten Päpste in die Kirchengeschichte eingehen soll. Was Papst Gregor VII. am meisten stört, ist die Investitur. Es kommt zum “Investiturstreit”. Gregor VII. fordert nicht nur die alleinige Macht über die Ernennung der Bischöfe, sondern erhebt einen Führungsanspruch über die Kirche und die ganze christliche Welt. Doch der deutsche König Heinrich wie auch viele andere Herrscher Europas wollen nichts von ihrer Macht aufgeben. Es kommt zum bitterbösen Briefwechsel zwischen Heinrich und Gregor. Heinrich befiehlt Gregor VII., vom Papstamt zurückzutreten. Gregor wiederum lässt verlesen, dass Heinrich die Herrschaft über das Heilige Römische Reich abgesprochen wird und lässt den König zusammen mit seinen Bischöfen exkommunizieren. Das heißt: Ausschluss aus der Gemeinschaft der Kirche und damit kein Empfang der Sakramente mehr. So etwas Undenkbares hat es noch nie gegeben.
Die Fürsten, ohne die Heinrich nicht regieren kann, beschließen: Heinrich muss die Absetzung Gregors widerrufen und sich von dem Bann lösen. Heinrich bleibt nichts anderes übrig als sich dem Papst zu unterwerfen. Der Papst hat sich derweil in die Burg Canossa zurückgezogen. Also zieht Heinrich im Winter 1076/77 mit Familie über die verschneiten Alpen nach Canossa. Angeblich drei Tage, im Büßergewand, barfuß im Schnee soll er vor der Burg ausgeharrt und Papst Gregor um seine Absolution gebeten haben. Dem bleibt nichts anderes übrig: Als Mann der Kirche muss er Vergebung demonstrieren und Heinrich vom Bann lösen und ihn wieder als König anerkennen. Deshalb spricht man heute noch vom Gang nach Canossa, wenn man um Vergebung für etwas bitten oder Reue zeigen muss.
Dass sich der König nun dem Papst unterworfen hat, sorgte plötzlich für eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Alles steht auf dem Kopf. Der Papst als Nachfolger des Apostels Petrus hat den römischen König und späteren Kaiser, den höchsten Herrscher in der abendländischen Christenheit, in die Knie gezwungen.
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Geschichte
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