Freitag, 28.07.2023 - 08:30 Uhr

OER-Zertifikat: Qualitätssiegel für offene Bildungsressourcen

OER – Ehm was?! 

Bild: undraw

Ein kurzer Exkurs bevor es zum OER-Zertifikat geht: Das sind OER-Materialien …

OER steht für Open Educational Resources. Das sind Bildungsmaterialien, die frei zugänglich und unter offenen Lizenzen veröffentlicht sind. Jede*r darf diese Ressourcen kostenlos nutzen, teilen, anpassen und weiterverbreiten.

OER umfasst eine Vielzahl von Inhalten wie Lehrbücher, Kurse, Videos, Präsentationen und vieles mehr.

Sie bieten eine Alternative zu herkömmlichen urheberrechtlich geschützten Materialien und ermöglichen es Lehrenden, Lernenden und Bildungsinstitutionen, ihre eigenen Bildungsinhalte zu ergänzen, anzupassen und zu teilen. 


https://open-educational-resources.de/5rs-auf-deutsch/
Bild: OERinfo

Das klingt doch erstmal super, oder?!

Das Verständnis, was sich hinter dem kleinen Wörtchen “Open” verbirgt,  ist von entscheidender Bedeutung. Es stellt das grundlegende Konzept und die Philosophie hinter OER dar. Links in der  Grafik findest du die 5V-Freiheiten für Offenheit. 

Jedes “V” steht für einen Aspekt von “Open”:

  1. Freier Zugang: Das “Open” in OER bedeutet, dass Bildungsmaterialien frei zugänglich sind, ohne Kosten oder Zugangsbarrieren  für die Nutzer*innen. Dieser freie Zugang ermöglicht es Lernenden, unabhängig von finanziellen oder geografischen Barrieren auf Bildungsinhalte zuzugreifen und diese zu verwahren und zu vervielfältigen.
  2. Teilen und Wiederverwenden: OER fördern die Zusammenarbeit und das Schaffen umfangreicher Pools an Bildungsinhalten, von denen alle profitieren können.
  3. Anpassbarkeit und Verarbeitung: Durch die Offenheit können Lehrer*innen und Lernende Bildungsmaterialien an ihre spezifischen Bedürfnisse und Kontexte anpassen. Dadurch entsteht eine individuellere und ansprechendere Lernerfahrung. Denn gemeinsam ist man stärker! Zusammen werden Materialien stetig weiterentwickelt, aktualisiert und durch die Schwarmintelligenz immer besser.
  4. Förderung innovativer Bildungsansätze: Offenheit fördert auch innovative Lehrmethoden und -praktiken. Da Pädagog*innen auf Ressourcen zugreifen können, die von anderen erstellt wurden, können sie diese in  ihre eigenen Lehrpläne integrieren sowie mit ihren Inhalten vermischen.
  5. Nachhaltigkeit: Das Verständnis von Open Educational Resources und die Einbeziehung von Openness-Konzepten in die Bildung fördern eine nachhaltige Bildungsgemeinschaft, in der Wissen und Ressourcen geteilt und verbreitet werden können.

Schlussendlich trägt Offenheit – “Open” – in OER dazu bei, die Ziele der offenen Bildung zu erreichen: 

  • Bildung für alle zugänglich und inklusiv zu gestalten
  • das Lernen zu bereichern und 
  • Bildungsgemeinschaften weltweit zu stärken.

Unterstützung durch OER practitioner

Zu Beginn fällt es vielen nicht leicht, OER-Materialien zu erstellen und zu teilen. Was muss ich rechtlich beachten? Wo kann ich meine Materialien anderen zur Verfügung stellen?

Dafür wurde in Österreich das OER-Zertifikat eingeführt. Dieses weist von Mitarbeiter*innen an Hochschulen ihre Kompetenzen in OER nach.

Der Verein Forum Neue Medien stellt OER-Zertifikate (“Certified OER Higher Education Institution”) für Hochschulen aus. Damit können Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen ihre OER-Aktivitäten sichtbar machen. 

Welche Mehrwerte bietet das OER-Zertifikat?

  • Kompetenznachweis: Ein Zertifikat dient als Nachweis für die Kompetenz im Umgang mit OER. Es zeigt potenziellen Arbeitgeber*innen, Kolleg*innen oder Bildungseinrichtungen, dass die Inhaber*innen über Wissen und Fähigkeiten verfügen, um effektiv mit offenen Bildungsmaterialien umzugehen.
  • Gemeinschaftsaufbau: Wenn ein Zertifikat von einer anerkannten Bildungsorganisation oder Plattform ausgegeben wird, kann dies zur Bildung einer Gemeinschaft von OER-Interessierten beitragen. Teilnehmer*innen, die ein gemeinsames Zertifikat erworben haben, können sich miteinander vernetzen und den Austausch von bewährten Verfahren und Ideen fördern.
  • Sichtbarkeit und Öffentlichkeitsarbeit: Ein Zertifikat für OER-Aktivitäten kann auch dazu beitragen, das Bewusstsein und die Sichtbarkeit für offene Bildung zu erhöhen. Die Zertifizierung kann in Lebensläufen, Profilen oder auf Online-Plattformen angezeigt werden, was wiederum andere dazu ermutigen kann, sich ebenfalls mit OER zu beschäftigen.

Good to know

Die OER-Zertifizierung beruht auf einem Whitepaper von fnma (2016) und wird im Rahmen des Projekts „Open Education Austria Advanced“ (2020-2024) entwickelt und eingeführt.

Wissenswertes über das OER-Zertifikat

Um als Institution solch ein OER-Zertifikat zu erhalten, muss ein Antrag gestellt und bestimmte Kriterien erfüllt sein. Für Einzelpersonen gibt es die Möglichkeit eine Weiterbildung zu besuchen, um das Zertifikat zu erhalten und zertifizierte OER-Praktiker*in zu werden. Aber das willst du bestimmt im Detail wissen.

Also los geht’s:

  1. Certified OER Higher Education Institution

Damit eine Institution das Zertifikat “Certified OER Higher Education Institution” erhält, müssen  drei Kriterien in Bezug auf OER erfüllt werden. Diese werden bei der Beantragung einzeln geprüft. 

Folgende Kriterien sind zu erfüllen:

Erfolgreiche Prüfung des Kriteriums A “Vorhandensein einer OER-Strategie und Angebot einer Weiterbildung zu OER”Erfolgreiche Prüfung des Kriteriums B “Verfügbarkeit eines OER-Repositoriums”Erfolgreiche Prüfung des Kriteriums C “Zahl von Mitarbeiter*innen mit fnma-Zertifikat ‘OER practitioner | OER-Praktiker:in'”

Update

Wir gratulieren der Universität Graz ganz herzlich, die Ende September 2023 als erste Hochschule in Österreich alle drei Kriterien erfüllen konnte und das OER-Zertifikat verliehen bekam! Die Uni Graz engagiert sich schon seit einigen Jahr sehr im Bereich OER an und für Hochschulen.

Die Technische Grundlage für das OER-Repositorium der Uni Graz ist die Open Source Software edu-sharing, die auch die technische Grundlage für WirLernenOnline.de ist. Mag. Dr. Michael Raunig vom Zentrum für digitales Lehren und Lernen der Universität Graz sagt zur Auszeichnung. “Das OER-Portal soll den Angehörigen unserer Universität eine ansprechende und niederschwellige Möglichkeit bieten, freie Bildungsressourcen zu veröffentlichen. Wir sind stolz und erfreut.”

Erfüllt eine Hochschule nur jeweils eines der Kriterien, so erhalten sie eine Bescheinigung mit einer eindeutigen ID und werden auf der Webseite Verein Forum Neue Medien gelistet. 

Dich interessiert das brennend und deine Hochschule will dort mitmachen? Wir stellen dir hier den Link zur Antragstellung bereit.  

Solltest du bzw. deine Hochschule noch nicht alle Kriterien erfüllen, kannst du an der…

… B. Akkreditierten OER-Weiterbildung teilnehmen! 

Das bedeutet, dass Hochschulen – ähnlich wie ein Ausbildungsbetrieb –  sich ausweisen müssen, dass sie berechtigt sind, das Zertifikat “OER-Practioner” auszustellen. Damit können sie Weiterbildungen durchführen und als Arbeitgeber*in zeigen, dass sie über OER-Expertise verfügen und diese Werte vertreten. 

Und zu guter letzt… 

C. OER Practitioner / OER-Praktiker*in

Personen, die erfolgreich an akkreditierten OER-Weiterbildungen teilgenommen haben, erhalten auf Antrag das Zertifikat “OER Practitioner | OER-Praktiker*in”.

Außerdem gibt es einen Grund zum Feiern 🎊 Denn: bisher sind bereits 98 Zertifikate für Einzelpersonen ausgestellt worden💪

OER-Zertifikat(e): Anerkennung und Motivation oder Bedenken und Beschränkungen?

In Deutschland gibt es leider noch keine Möglichkeit, dies in Anspruch zu nehmen. Doch wir wären nicht WirLernenOnline, wenn wir über dieses Thema nicht berichten würden 😉 Wir haben uns auch Gedanken darüber gemacht und hier einige Pro- und Contra-Argumente aufgeführt:

Pro-Argumente: Contra-Argumente:
Qualitätssicherung: OER-Zertifikate dienen als Qualitätssiegel und ermöglichen den Nutzenden zu erkennen, wer bereits ein umfangreiches Wissen über OER verfügt.
Transparenz: Diese Zertifikate haben klare Richtlinien und Standards. So kann sich der Nutzende sicher sein, dass alle aufgeführten Personen / Institutionen dieselbe Weiterbildung / Prüfung durchlaufen haben. 
Subjektivität: Die Zertifizierung von OER-Zertifikaten kann subjektiv sein, da die Festlegung von Qualitätskriterien und -standards eine gewisse Interpretation erfordert. Es besteht das Risiko, dass verschiedene Zertifizierungsstellen unterschiedliche Kriterien anwenden und dadurch die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Zertifikate beeinträchtigt werden.
Kosten und Bürokratie: Die Einführung und Verwaltung von OER-Zertifikaten erfordert Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Personalkapazität. → OER und Kosten?! Das passt irgendwie nicht ganz zusammen, finden wir. Solch eine Barriere bei OER-Zertifikaten, steht dem Gedanken von OER entgegen. 

Insgesamt kann ein OER-Zertifikat für OER-Aktivitäten die Wertschätzung für offene Bildung fördern, die Verbreitung von OER vorantreiben und Bildungsgemeinschaften in ihrer Entwicklung unterstützen. Es trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Bedeutung von OER zu stärken und die Bildung für alle zugänglicher und vielfältiger zu gestalten.

Du siehst also, es gibt einiges zu beachten und zu diskutieren. 


Schreib uns gerne deine Meinung. 

Hast du noch Anmerkungen zum Blogbeitrag?

Dann melde dich bei uns unter: redaktion@wirlernenonline.de 


Zur Autorin:

Vanessa Krämer

Vanessa Krämer arbeitet bei WLO als studentische Hilfskraft im Team KFC (Kommunikation, Fachredaktion und Community). Das beinhaltet, Twitterbeiträge, Newsletter und Blogbeiträge zu schreiben sowie das Team mit allen Kräften zu unterstützen. Nebenher studiert sie im 2. Mastersemester Grundschullehramt mit den Fächern Deutsch, Mathe und Sachunterricht. Ihre Bachelorarbeit hat sie zum Thema Einsatz von OER-Materialien im Deutschunterricht der Primarstufe geschrieben.

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