Vernetzte Curricula
Warum vernetzte Curricula?
WirLernenOnline klÀrt auf.
Hintergrundwissen đĄ
Die Curricula1 (LehrplĂ€ne) bilden fĂŒr Lehrer*innen die Arbeitsgrundlage und definieren, welche Lernziele und Kompetenzen SchĂŒler*innen zu bestimmten Zeitpunkten erreichen mĂŒssen.
Der in Deutschland bestehende Föderalismus (EigenstĂ€ndigkeit jedes Bundeslandes) sorgt dafĂŒr, dass jedes Bundesland seine eigenen LehrplĂ€ne erstellt. LehrkrĂ€fte kennen sich in ihren eigenen Curricula sehr gut aus und wollen ihre Materialien gerne direkt spezifischen Themen in ihrem Curriculum zuordnen. AuĂerdem wollen sie auch direkt in ihrem jeweiligen (Fach-)Lehrplan suchen können.
Daher hat WLO Fachportale aufgebaut, in denen Unterrichtsmaterialien nach FĂ€chern und fachspezifischen Themen sortiert werden. Beim Aufbau der Fachportale haben unsere Fachredaktionen versucht, die nach BundeslĂ€nder unterschiedlichen LehrplĂ€ne als eine einheitliche, ĂŒbergeordnete Struktur abzubilden – quasi ein bundeslandĂŒbergreifender Themenbaum pro Fach.
Dadurch sollen Bildungssuchmaschinen wie WirLernenOnline, Lehrer*innen möglichst effizient bei der Suche nach Materialien, passend zu ihren jeweiligen LehrplĂ€nen, unterstĂŒtzen können.
Noch effizienter als ĂŒbergreifende ThemenbĂ€ume ist die Vernetzung bzw. das Mappen der bestehenden LehrplĂ€nen der BundeslĂ€nder. Dies ist auch Teil der Forschung, die wir bei WLO betreiben.
Beim Mappen von LehrplĂ€nen wird versucht, inhaltliche Verbindungen zwischen den unterschiedlichen LehrplĂ€nen der BundeslĂ€nder zu identifizieren: Thema A im Mathematik-Lehrplan der Klassenstufe 4 in Bayern ist inhaltlich sehr Ă€hnlich zu Thema B im Lehrplan der Klassenstufe 5 in Berlin. D.h. Unterrichtsmaterialien zum Thema A in Bayern sind auch relevant fĂŒr LehrkrĂ€fte, die das Thema B in Berlin unterrichten.
Wichtige Fragestellungen
- Wie können die Curricula der LÀnder untereinander vernetzt werden?
- Und warum ist das ĂŒberhaupt notwendig?
Diesen Fragen haben wir uns im Rahmen des OER-Sommercamps im Workshop âVernetzte Curriculaâ gewidmet und auch erste Ergebnisse aus der âCurricula-Gruppeâ der DINI-AG-KIM (Kompetenzzentrum Interoperable Metadaten) diskutiert, in der gemeinsam mit Vertreter*innen der LĂ€nder Konzepte entworfen wurden, die eine VerknĂŒpfung von LehrplĂ€nen ermöglichen sollen.
Ein Problem
Fast kein Bundesland hat seine LehrplĂ€ne bisher maschinenlesbar veröffentlicht. Das erschwert die VerknĂŒpfung der Lehrplanthemen enorm. In Zeiten der Digitalisierung besteht hier ein groĂer Nachholbedarf.
Die Hypothese
Beim Mappen von Curricula wird auf inhaltlicher Ebene von der Hypothese ausgegangen, dass es zwischen den LehrplĂ€nen der LĂ€nder Ăberschneidungen gibt und in verschiedenen BundeslĂ€ndern die Ă€hnlichen und gleichen Inhalte unterrichtet werden.
Schlussfolgerung: Es ist möglich, Beziehungen zwischen den LehrplĂ€nen der LĂ€nder herzustellen. đȘ
Um diese Beziehungen technologisch abzubilden, wurde in mehreren Arbeitssitzungen der Curricula-Gruppe ein Modell entwickelt, das nun in einem ersten Entwurf vorliegt. Technologisch basiert das Modell auf RDFÂČ und ermöglicht daher eine leichte Verlinkung verschiedener Ressourcen. RDF wird bei verschiedenen groĂen EU-Projekten wie ESCO oder dem Europass Learning Model v3 als Basis-Technologie verwendet.
Das Modell – kurz und knapp đŁ
Ziel: Eine Lehrerin ordnet im bayerischen Lehrplan ein Material einem âThema Aâ zu. Nun wird âThema Aâ aus Bayern mit âThema Bâ aus Berlin verknĂŒpft. AuĂerdem wird âThema Câ des WLO-ThemenbaumsÂł mit dem âThema Bâ aus Berlin verknĂŒpft. Nun soll das Material, das lediglich dem bayerischen Lehrplanthema zugeordnet wurde, auch auffindbar werden, wenn in dem WLO-Themenbaum oder dem Berliner Lehrplan gesucht wird.
Vorgehen:
- Wichtig: Um dies zu bewerkstelligen, wurden maschinenlesbare ReprĂ€sentationen der LehrplĂ€ne angefertigt. Diese können entweder gecrawlt4 oder aus anderen Datenformaten in das Modell der âCurricula-Gruppeâ konvertiert werden. AnschlieĂend wurden die Daten in das Mapping-Tool âCocodaâ geladen und konnten dort durch Fachexpert*innen gemapped werden. đ Den Prozess, der Datenelemente zwischen unterschiedlichen Datenmodellen abbildet, nennt man Datenmapping.
- Es wurde ein Service entwickelt, der die Mappings in einen Triple-Store lĂ€dt. Ein Triple-Store ist eine Art Graphdatenbank, die Daten als Netzwerk von Objekten speichert und Inferenz verwendet, um neue Informationen aus bestehenden Beziehungen aufzudecken. Die RDF-Technologie ermöglicht dabei sogenanntes âReasoningâ, d.h. Beziehungen zwischen Objekten können geschlossen werden, auch wenn sie nicht explizit definiert wurden. Angewendet auf das oben beschriebene Beispiel lĂ€sst sich damit also folgende Beziehung zwischen den LehrplĂ€nen schlieĂen:
3. Der Reasoner schlieĂt aus den Beziehungen der Themen zwischen Bayern und Berlin sowie Berlin und WLO, dass es auch eine Beziehung zwischen dem Thema in Bayern und WLO gibt (hier blau gekennzeichnet). Es wurde eine Schnittstelle entwickelt, die IDs zu den LehrplĂ€nen entgegennimmt und im Triple-Store nach Beziehungen sucht und die passenden IDs zurĂŒckgibt. Damit ist es möglich, die jeweiligen Beziehungen zwischen den LehrplĂ€nen/ThemenbĂ€umen zu erhalten.
Zusammenfassung
WLO hat sich der Herausforderung angenommen, die 16 unterschiedlichen LehrplĂ€ne der BundeslĂ€nder miteinander zu vernetzen. Die Entwicklung einer vernetzten Curricula steht zwar noch am Anfang, aber dank des ersten Workshops können nun Curricula maschinenlesbar gemacht und verknĂŒpft werden đ
1 Unter Curricula / Curriculum versteht sich der Ablauf des Lehr- und Lernprozesses sowie der Ablauf von Lehrzielen. Es enthĂ€lt auĂerdem Aussagen ĂŒber die Rahmenbedingungen des Lernens. Im Sprachgebrauch wird es oft als Synonym fĂŒr den Lehrplan verwendet.
ÂČ Vgl.: Resource Description Framework -â […] technische Herangehensweise im Internet zur Formulierung logischer Aussagen ĂŒber beliebige Dinge (Ressourcen)â – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Resource_Description_Framework
Âł Der Themenbaum ist Teil und Grundlage jedes Fachportals. Wird ein neues Fachportal aufgebaut, arbeiten die Fachexpert*innen zunĂ€chst die Fachsystematik des jeweiligen Fachgebiets aus â das Ergebnis nennen wir Themenbaum.
4 Als Crawler oder Webcrawler werden Softwareprogramme bezeichnet, die das Internet durchsuchen. Dabei analysieren und indizieren sie Inhalte von Websites wie Texte und Bilder oder auch Videos. Es sind vor allem Suchmaschinenprovider, die Crawler fĂŒr die Indizierung von Websites verwenden. Synonym werden auch die Begriffe Bot, Spider oder Searchbot verwendet.
Zur Autorin:
Vanessa KrĂ€mer arbeitet bei WLO als studentische Hilfskraft im Team KFC (Kommunikation, Fachredaktion und Community). Das beinhaltet TwitterbeitrĂ€ge, Newsletter und BlogbeitrĂ€ge zu schreiben sowie das Team mit allen KrĂ€ften zu unterstĂŒtzen. Nebenher studiert sie im 1. Mastersemester Grundschullehramt mit den FĂ€chern Deutsch, Mathe und Sachunterricht. Ihre Bachelorarbeit hat sie zum Thema Nutzung von OER-Materialien im Deutschunterricht der Primarstufe geschrieben.
Zum Autor
Steffen Rörtgen arbeitet am Hochschulbibliothekszentrum NRW an offenen Bildungsprojekten und interessiert sich besonders fĂŒr offene Webtechnologien. Er löst Herausforderungen heterogener Bildungsmetadaten und deren Harmonisierung mit Hilfe von Technologien des Semantic Web. Er interessiert sich auĂerdem fĂŒr maschinenlesbare Curricula und LehrplĂ€ne und arbeitet in verschiedenen Gremien mit, um die Standardisierung in diesen Bereichen voranzutreiben.